Vom ersten und letzten eisernen Kahn der Arneburger Werft

... Die Schifffahrt auf unserer Elbe ist uralt. Urkundlich wissen wir, dass bereits kurz nach der Jahrhundertwende der deutsche Kaiser Heinrich II. seine Reise von Merseburg nach Arneburg zu Schiff auf der Elbe unternommen hat.
Es ist aber kaum noch bekannt, dass früher auch einmal in Arneburg eine Schiffbauwerft war.

Ein gebürtiger Tangermünder Schiffsbauer mit Namen Voigt hatte sie vor mehr als hundert Jahren errichtet. Der Schiffsbauer Voigt stammte aus einem alten Schiffergeschlecht, das vordem in Jerichow an der Elbe zu Hause war. Da die Elbe nach den Regulierungen mehr als drei Kilometer von dem damaligen Elbe-Anlieger Jerichow, vorbeifloss siedelten viele Schiffer nah dem elbnahen Tangermünde ins Stadtteil Hühnerdorf über.

Die Arneburger Schiffswerft lag etwas ausserhalb der Stadt. Man musste die zur Elbe stark abfallende Rosspforte hinuntergehen und in den nördlichen Elbuferweg einbiegen, wenn man zu ihr gelangen wollte. Die dicht an der Elbe errichtete Werft bestand aus einer längs am Ufer aus Holz gebauten Werkstatt mit den davor gleichfalls längs der Elbe angeordneten Hellingen. Ein Helling ist ein zum Wasser geneigter Bauplatz unter freiem Himmel und dient zum Bau und zum Stapellauf der Kähne. ... Infolge des Aufkommens der grossen Elbschifffahrts-Gesellschaften mit ihren Massenbedarf an Schleppkähnen hatte auch die Arneburger Werft genügend Arbeit. In diese Zeit fiel aber auch die Umstellung von Holz auf Eisen, auf Stahl. Arneburg gelang diese Umstellung im Zuge der technischen Entwicklung. ...

Jedoch, der erste eiserne Kahn wurde auch der letzte auf der Arneburger Werft. Bis auf restliche Stemmarbeiten an den Bordplanken war dieser erste zum festgesetzten Termin fertiggestellt. Für den Stapellauf und die anschliessende Feier waren alle Vorbereitungen getroffen. Krüge mit Branntwein und Fässer mit Bier sowie mehrere Körbe mit belegten Broten waren bereits in der Ecke der Werkstatt bereitgestellt. Dem Meister war es bei seiner Arbeit im Büro zuerst nicht aufgefallen, dass der Arbeitslärm auf der Helling sich in den Gesang lustiger Handwerkslieder verwandelt hatte. Als aber das Singen in Gröhlen und Toben überging, horchte der Meister doch auf und lief hinaus auf die Helling. Zu seinem Erschrecken sah er hier, dass kein Geselle mehr an der Arbeit war.

Nacheinander hatten sich alle über die Trinkwaren hergemacht, und ein grosser Teil war bereits stark angetrunken. Der Meister meinte, dass der für diesen Tag vertraglich vorgesehene Stapellauf nicht mehr stattfinden konnte und fürchtete, dass die für Terminverzögerung vorgesehene Konventionalstrafe auf sein noch kleines eigenes Konto gehen würde. Er verlor bei diesem Gedanken vollends die Nerven. Zornentbrannt und unüberlegt feuerte er aus einer Pistole einen Schuss ab, lief, erschrocken über seine Tat, in das Büro zurück und war der Meinung er habe jemanden erschossen. Deshalb erschoss er sich selber auch. Seine erste Kugel hatte aber niemanden getroffen. Am gleichen Tage noch, wenn auch mit einigen Stunden Verzögerung, lief das Schiff unter Leitung des Altgesellen vom Stapel. Es war aber auch der letzte Kahn der in Arneburg gebaut worden ist. Seit diesem Tage standen Werkstatt und Hellinge leer und verkamen bald....
Auszug aus Unsere Heimat, Stendal, 1959, Hannelore Peulecke-Voigt

Wortspiele am Rande:
Wie in der gesamten Technik, so gebrauchte man auch im Schiffbau häufig Scherznamen wie z.B. Affe, Bock, Kalb, Hahn, Hund, Pferd, und das Schwein musste seinen Namen für den dicken Kielverstärkungsbalken hergeben. Heute bezeichnet man in der Sprache der Kanufahrer, der Kanuten, den nicht mit paddelnden, sondern zusätzlich geladenen Mitfahrer (die Mitfahrerin) als Kielschwein. Auch die Bugsau gibt es.

Ein Glück, dass an meinem liebsten Plätzchen an der Elbe keine grosse Werft entstanden ist - bietet doch die Elbauenlandschaft in Arneburg die reinste Erholung. Radfahren, Wandern, Boot fahren, Picknicken, alles ist möglich am behaglich fliessenden Elbstrom und der weite Blick lässt einen schnell die alltäglichen Problemchen vergessen. ...zurück nach Arneburg

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